Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers und Entbindung von ärztlicher Schweigepflicht

In der Regel überprüfen Versicherer im Leistungsfall, ob vorvertragliche Anzeigepflichten verletzt worden sind. Muss der Versicherungsnehmer solche Ermittlungen durch eine Schweigepflichtentbindungserklärung unterstützen?

Ob eine Berufsunfähigkeitsversicherung die vertraglich vereinbarte Leistung im Versicherungsfall zahlen muss, hängt maßgeblich davon ab, ob der Versicherte bei Abschluss des Vertrages die Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet hat. In der Regel überprüfen Versicherer, ob vorvertragliche Anzeigepflichten verletzt worden sind. Um gesundheitsbezogene Daten aus vorvertraglicher Zeit bei behandelnden Ärzten, Krankenhäusern, Krankenkassen oder anderen Einrichtungen einzuholen, benötigt der Versicherer eine sogenannte Schweigepflichtentbindungserklärung, das heißt, der Versicherungsnehmer muss die in Frage kommenden Personen und Einrichtungen von ihrer Schweigepflicht entbinden.

Nach einem Urteil des Kammergerichts Berlin vom 8.7.2014 (6 U 134/13) umfassen die notwendigen Erhebungen des Versicherers zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung gemäß § 14 Abs. 1 VVG auch die Prüfung der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Wenn der Versicherungsnehmer, wie im gerichtlich verhandelten Fall, eine Entbindung von der Schweigepflicht verweigert und der Versicherer deshalb keine Gesundheitsdaten aus vorvertraglicher Zeit einholen kann, besteht nach Ansicht des Gerichtes kein Anspruch auf die Versicherungsleistung.

Das Kammergericht ist dem vorhergehenden Urteil des Landgerichts (LG Berlin, 12.6.2013 – 23 O 341/12) dahingehend gefolgt, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistung im Sinne des § 14 VVG nicht fällig ist, da der Versicherer aufgrund des Widerspruchs des Versicherungsnehmers gegen die beabsichtigte Erhebung von Gesundheitsdaten aus vorvertraglicher Zeit seine Leistungsprüfung nicht abschließen kann.

In der Vorentscheidung hatte das Landgericht Berlin es offen gelassen, ob die Erforderlichkeit der Datenerhebung eine hinreichend konkrete Verdachtslage erfordert.

Das Kammergericht beschäftigte sich ausführlich mit der Frage, ob § 213 VVG bzw. die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Erhebung von Gesundheitsdaten aus vorvertraglicher Zeit entgegensteht und verneinte dieses (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02; BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2013 – 1 BvR 3167/08).

Zudem distanzierte sich das Gericht von der von Egger (VersR 2014, 553; VersR 2012, 810) vertretenen Auffassung, dass dem Versicherer im Rahmen der Leistungsprüfung allein das Recht zustünde, Daten zu der Frage zu erheben, ob sich das versicherte Risiko verwirklicht habe.

Zwar wird mit § 213 VVG der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Versicherungsnehmers in Form eines Selbstbestimmungsrechts über die Gesundheitsdaten gewährleistet, aber im vorliegenden Fall nahm das Kammergericht Berlin eine Abwägung vor und räumte dem Ermittlungsinteresse des Versicherers Vorrang ein.

Das Kammergericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungsrelevanten Fragen zugelassen, insbesondere unter welchen Voraussetzungen und im welchem Umfang der Versicherer unter Berücksichtigung des § 213 VVG und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Gesundheitsdaten aus vorvertraglicher Zeit erheben darf.

 

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