BU-Leistungen bei Burnout?

Nach der internationalen Klassifikation von Erkrankungen (ICD-10) gilt Burnout nicht als eine Krankheit. Kann ein Versicherungsnehmer, der mehr als sechs Monate aufgrund eines diagnostizierten Burnout-Syndroms arbeitsunfähig war, dennoch Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung beanspruchen?

Was ist das Burnout-Syndrom?

Bereits 2012 wies die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in einem Positionspapier darauf hin, dass das Burnout-Syndrom ein ernstzunehmender Risikozustand sei, der zu weiteren Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen, Angststörungen, chronischen Schmerzsyndromen oder Infektionskrankheiten führen könne. Gleichzeitig könne einem Burnout-Syndrom eine andere schwerwiegende Krankheit zugrunde liegen.

Der englische Begriff „Burnout“ bezeichnet einen Zustand der völligen psychischen und physischen Erschöpfung, dessen Ursachen und Symptome individuell sehr unterschiedlich sein können. Zu den typischen Symptomen zählen unter anderem anhaltende körperliche und emotionale Erschöpfung, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und ein extremer Leistungsabfall. Nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin existieren keine wirksam nachgewiesenen Therapien, was vor allem mit der komplexen Symptomatik des Syndroms zusammenhängt.

Burnout und Arbeitsunfähigkeit

Die Studie „Arbeitsunfähigkeit – Psychische Erkrankungen und Burnout“ der Bundespsychotherapeutenkammer aus dem Jahr 2012, die Daten der großen gesetzlichen Krankenkassen zu Arbeitsunfähigkeit , psychischen Erkrankungen und Burnout ausgewertet hat, zeigte, dass die Anzahl der Krankschreibungen aufgrund eines Burnout-Syndroms (Z73 im ICD-10) seit 2004 um 700 Prozent und die Anzahl der betrieblichen Fehltage sogar um fast 1400 Prozent angestiegen sind.

Diagnose von Burnout

Bereits seit 2004 haben Ärzte die Möglichkeit, eine Erschöpfung im Sinne einer arbeitsbedingten Überlastung als eigenständige Diagnose festzuhalten. Seitdem ist Burnout in der internationalen Klassifikation ICD-10, mit deren Hilfe Ärzte ihre Diagnose für die Krankenkasse notieren, als Zusatzdiagnose Z73 (Z für Zusatzdiagnose) verzeichnet. Zumeist werden parallel eine mittelgradige oder schwere depressive Episode diagnostiziert (ICD-10: F.32.1, F.32.2). In dem Diagnoseschlüssel Z73 werden in dem Abschnitt „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ verschiedene Symptome wie „Ausgebranntheit, Burnout, Zustand der totalen Erschöpfung“ (Z73.0) aufgeführt.

Wie sieht auf dem Hintergrund dieser internationalen Klassifikation die rechtliche Situation aus, wenn ein Versicherungsnehmer, der sechs Monate oder länger aufgrund eines diagnostizierten Burnout-Syndroms arbeitsunfähig war und infolgedessen Leistungen aus seiner Versicherung beansprucht?

Burnout und Depression bei Berufsunfähigkeit
Depression ist häufigste Ursache von Berufsunfähigkeit

Das Burn-Out-Syndrom im Rahmen der Berufsunfähigkeit

Nach § 172 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gilt als berufsunfähig, „wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf (…) infolge Krankheit, Körperverletzung oder (…) Körperverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann“.

Das Versicherungsvertragsgesetz beinhaltet keine Auflistung von Krankheiten, Körperverletzungen oder möglichen Formen des körperlichen Verfalls, sondern schreibt zunächst fest, dass bei Eintritt eines Versicherungsfalls eine Krankheit vorliegen muss, welche die bedingungsgemäße Ausübung eines bestimmten Berufes dauerhaft beeinträchtigt.

Die Entscheidung des LG München

Als vermeintlich einschlägiger BU-Fall bei Burnout wird des Öfteren ein Urteil des Landgerichts Münchens angeführt, das entschied, dass eine Versicherung Rentenleistungen an einen Versicherungsnehmer zahlen müsse, der infolge eines diagnostizierten Burnout-Syndroms seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte (vgl. LG München, Urt. v. 22.3.2006 – 25 O 19798/03). Bei genauer Prüfung fällt allerdings auf, dass der Begriff „Burnout“ im Wortlaut in dem Urteil nicht ein einziges Mal auftaucht. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hatte bei dem Versicherungsnehmer „eine fehlgeleitete Entwicklung wegen permanenter Überforderung über Jahrzehnte hinweg“ diagnostiziert.

In juristischen Datenbanken lassen sich aktuell ebenfalls keine Urteile finden, in denen ein Versicherer ausschließlich aufgrund eines diagnostizierten Burnout-Syndroms und daraus resultierender Berufsunfähigkeit zur Zahlung von Berufsunfähigkeitsleistungen verurteilt wurde. In den meisten streitigen Verfahren wird in der Regel auf eine depressive Störung mit sogenanntem Burnout-Syndrom Bezug genommen. Das heißt, dass ein Versicherungsnehmer, bei dem ein Facharzt beispielsweise eine Depression oder eine Erschöpfungsdepression (mittlere bis schwere depressive Episoden) und ergänzend ein Burnout-Syndrom diagnostiziert hat, derzeit größere Chancen hat, Leistungen zu beanspruchen als ein Versicherungsnehmer, bei dem von einem Nichtfacharzt „nur“ ein Burnout-Syndrom festgestellt wurde.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe

Aufschlussreich in diesem Kontext ist ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. Juli 2008 (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.7.2008 – 12 U 22/08).

Hier zahlte die Berufsunfähigkeitsversicherung an einen Anwalt, der 2001 an einer schweren depressiven Störung mit Burnout-Syndrom erkrankt war, ab Mai 2002 entsprechende Leistungen. In weiterer Folge leitete die Versicherung wiederholt Nachprüfungsverfahren ein. Ein medizinisches Universitätsgutachten führte unter anderem aus, dass eine nachhaltige, 15% überschreitende Beeinträchtigung der Berufsfähigkeit auf psychiatrischem-psychotherapeutischem Gebiet nicht mehr bestehe. Auf Basis dieses Gutachtens stellte die Versicherung die Zahlungen ein. Dass Gerichte die Tragweite eines Burnout-Symptoms zunehmend ernst nehmen, zeigte die Urteilsbegründung des Oberlandesgerichtes, das den Versicherer zur weiteren Zahlung der Leistungen verurteilte. Das Gericht sah vor allem einen Widerspruch darin, dass der Gutachter einerseits dem Anwalt eine Leistungsfähigkeit von ca. 80% bescheinigte, aber gleichzeitig anerkannte, dass dieser nach wie vor bei der Ausübung aller Tätigkeiten unter enormen Zeitdruck stehe. Da „die Austragung und Lösung von Konflikten zum täglichen Brot eines Rechtsanwalts gehöre“, hätte der Versicherer nachvollziehbar darlegen müssen, warum der Anwalt dennoch in der Lage hätte sein sollen, seine zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt in eigener Kanzlei zu mehr als 50% wieder aufzunehmen.

Anders als das Urteil des LG München ist das Urteil des OLG Karlsruhe als tendenziell richtungsweisend zu deuten, da hier die Ursachen, die dauerhaft die spezifische Ausübung eines Berufes beeinträchtigen können, genau und sorgfältig evaluiert wurden.

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