Ablehnungsquoten der Versicherer: Häufigste Streitfälle bei BU-Rente

Die häufigsten Streitfälle bei der Beantragung von Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung drehen sich um vorvertragliche Anzeigenpflichtverletzungen und das Nichterreichen der 50 Prozent Hürde.

Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) werden 70 Prozent aller Leistungsanträge anerkannt, das heißt, die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente wird bezahlt. Das bedeutet allerdings auch auf der Kehrseite, dass bei 30 Prozent der Fälle der Versicherer nicht reguliert, also den Anspruch auf eine BU-Rente ablehnt. Einige Experten der Versicherungswirtschaft gehen sogar von Ablehnungsquoten zwischen 30 % und 60 % aus.

Bei 11 Prozent der Anträge sollen die Versicherer dabei eine dauerhafte Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent bezweifeln, bei 7 Prozent vermuten sie eine nicht vollständige bzw. nicht wahrheitsgemäße Beantwortung der Gesundheitsfragen.

Einige Berufsunfähigkeitsversicherer stellen inzwischen ihre (niedrigen) Prozessquoten, d.h. die Quote, in denen Ansprüche nach der Ablehnung gegen den Versicherer durch den Versicherungsnehmer gerichtlich geltend gemacht werden müssen, als Qualitätsmerkmal heraus. Man sollte diesen Quoten mit einer gewissen Vorsicht begegnen – die Daten werden nicht selten selektiv verwendet und sind für das Regulierungsverhalten des Versicherers nur eingeschränkt aussagekräftig.

50 Prozent Hürde

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 172 Abs. 2 VVG gilt jemand als berufsunfähig, wenn er "seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann".

Bei Beantragung der vertraglich vereinbarten Versicherungsleistungen muss der Versicherungsnehmer in der Regel mit Hilfe eines medizinischen Gutachtens nachweisen, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung ihn dauerhaft daran hindert, den konkreten Beruf zu mindestens 50 Prozent auszuüben. Häufig kommt es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, weil Versicherungen bezweifeln, dass ein Versicherungsnehmer dauerhaft, das heißt, abhängig von den konkreten Vertragsbedingungen mindestens sechs Monate lang zu mindestens 50 Prozent seinen Beruf nicht ausüben konnte bzw. auch in Zukunft nicht ausüben wird.

Problematisch in diesem Kontext sind zudem Verweisungsklauseln, insofern der Vertrag solche enthält. So kann zum Beispiel eine konkrete Verweisungsklausel bewirken, dass der Versicherer die Zahlung einer BU-Rente ablehnt, wenn der Versicherte auf einen Vergleichsberuf verwiesen werden, unter der Voraussetzung, dass er diesen gesundheitlich ausüben kann. Im Streitfall muss der Versicherer einen Vergleichsberuf oder mehrere Vergleichberufe anführen unter präziser Angabe vergleichbarer prägender Merkmale wie Ausbildung, Arbeitsbedingungen, Gehalt, erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.2000 – IV ZR 85/99; BGH, Urt. v. 29.6.1994 – IV ZR 129/93).

Im Falle einer abstrakten Verweisungsklausel muss der Versicherungsnehmer nicht nur eine Berufsunfähigkeit für den aktuell ausgeübten Beruf nachweisen, sondern auch für einen Vergleichsberuf – selbst wenn der Versicherungsnehmer diesen bei Beantragung einer BU-Rente gar nicht ausübt (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1993 – IV ZR 185/92).

Vorvertragliche Anzeigenpflichtverletzung

Im Versicherungsfall nehmen Versicherer in den meisten Fällen eine genauere Überprüfung der im Gesundheitsbogen aufgeführten bzw. möglicherweise verschwiegenen Vorerkrankungen vor. Sofern die bei der Antragstellung gemachten Angaben unvollständig sind oder nicht mit den Angaben in den von Krankenkassen und Ärzten angeforderten Akten übereinstimmen, wird der Versicherer die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente zunächst verweigern. Eine Einwilligung des Versicherungsnehmers zur Erhebung seiner Gesundheitsdaten (§ 213 VVG) vorausgesetzt, hat der Bundesgerichtshof mehrfach die Überprüfung von Vorerkrankungen nach Abwägung der Interessen des Versicherungsnehmers und des Versicherers für zulässig erklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.2011 – IV ZR 203/09).

Im Streitfall ist dann unter anderem zu klären, ob der Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Fragen ohne Verschulden, einfach fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich bzw. arglistig gehandelt hat.

Bei Ablehnung eines Leistungsantrags aufgrund von vermuteter vorvertraglicher Anzeigenpflichtverletzung, bei angezweifelter dauerhafter Berufsunfähigkeit von mindesten 50 Prozent und versuchter konkreter bzw. abstrakter Verweisung auf einen Vergleichsberuf empfehlen Verbraucherschutzorganisationen unbedingt, fachanwaltliche Hilfe zwecks genauer Überprüfung der Leistungsablehnung des Berufsunfähigkeitsversicherers in Anspruch zu nehmen.

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