Berufsunfähigkeit: Tipps zur richtigen Antragstellung
Bei der Beantragung einer BU-Rente müssen Versicherungsnehmer zahlreiche Formulare ausfüllen und ärztliche Gutachten einholen, um ihre Berufsunfähigkeit nachzuweisen. Berufsunfähigkeit: Tipps zur richtigen Antragstellung “Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge von Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens 6 Monate außerstande ist, seinen zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgestaltet war, auszuüben und er auch keiner anderen Tätigkeit nachgeht, die seiner bisherigen Lebensstellung bei Ausscheiden aus dem Berufsleben entspricht.” In den meisten Versicherungsbedingungen sind gleichlautende oder ähnliche Formulierungen zu finden. Entscheidend in dem Zusammenhang ist der sogenannte Prognosezeitraum. Wenn zum Beispiel ein Versicherungsnehmer über drei Monate lang nicht seinen Beruf ausüben konnte und in den Versicherungsbedingungen ein Prognosezeitraum von 6 Monaten angegeben ist, kann der Arzt aller Wahrscheinlichkeit nach eine Prognose für die voraussichtliche Dauer der Berufsunfähigkeit stellen. Dennoch wird ein Versicherer zunächst im Detail die Voraussetzungen für den Leistungsfall überprüfen. Neben einer Vielzahl von Formularen, die auszufüllen sind, wird der Versicherte dazu aufgefordert werden, Berichte bzw. Gutachten seiner behandelnden Ärzte vorzulegen. In der Regel müssen die Arztberichte folgende Angaben enthalten: Ursache, Beginn und Art der Erkrankung; Auswirkung der Erkrankung auf die Fähigkeit, den Beruf auszuüben; Grad und voraussichtliche Dauer der Berufsunfähigkeit; Prognose über den Verlauf der Erkrankung; Wenn beispielsweise ein Hausarzt die Berufsunfähigkeit festgestellt und bescheinigt hat, kann es sein, dass der Versicherer weitere Gutachten von spezialisierten Fachärzten einholen möchte. Zudem wird der Versicherer eine Schweigepflichtentbindung gegenüber Ärzten und der Krankenkasse anfordern, die nicht pauschal unterschrieben werden sollte. Der Versicherer muss vielmehr konkretisieren, welche Auskünfte er bei welcher Stelle einholen möchte. Selbst die Bewilligung einer vollen Erwerbsminderungsrente durch die gesetzliche Rentenversicherung reicht keinem privaten BU-Versicherer als Nachweis für eine Berufsunfähigkeit aus. In der Regel überprüfen die meisten Versicherungen im Leistungsfall, ob bei Abschluss der BU-Versicherung tatsächlich alle Gesundheitsfragen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet wurden. In vielen Fällen versuchen Versicherer dann, wegen mangelhaft oder falsch beantworteter Gesundheitsfragen vom Vertrag zurückzutreten oder diesen anzufechten. Die häufigsten Gründe, warum Versicherer eine Leistung letztendlich verweigern, sind: ein nicht ausreichender Nachweis der Berufsunfähigkeit; die falsche Beantwortung der Gesundheitsfragen bei Vertragsabschluss, nicht komplett ausgefüllte Formulare und keine Reaktion auf Nachfragen der Versicherung. Der Prozess der Beantragung der BU-Rente ist äußerst komplex, da der Versicherer einen lückenlosen Nachweis der Berufsunfähigkeit verlangt. Um unnötige Fehler beim Ausfüllen der Formulare und ggf. einen Rechtsstreit zu vermeiden, sollte der Antrag mit Unterstützung eines Fachanwalts gestellt werden. Unsere kurze Checkliste für die Beantragung der BU-Rente (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Ausfüllen der allgemeinen Daten im BU-Antragsformular; Darstellung des Eintritts des Leistungsfalles (Monat, Jahr) und Aufführung der Anlagen; Ausführliche Darstellung der Ursache der Berufsunfähigkeit; Detaillierte Berichte der behandelnden Ärzte; Detaillierte Darstellung des Berufs (Berufskunde) mit Aufschlüsselung aller Tätigkeiten nach Zeit; Angabe und Nachweis des Einkommens und Erläuterung der sozialen Stellung, die mit dem Beruf verbunden ist. Die vollständige Übermittlung sämtlicher für den BU-Antrag relevanter Unterlagen ist vor allem auch deshalb wichtig, weil der Versicherer ohne die relevanten Unterlagen nicht in die Prüfung Ihres BU-Antrages gehen wird. Sie können gerne mit uns in Kontakt treten, wenn wir Sie bei der Einreichung Ihres BU-Antrages begleiten sollen.
KG Berlin: Ausschluss von Rentenansprüchen aus der BU-Versicherung bei verweigerter Mitwirkung
KG Berlin Urteil v. 8.7.2014 – 6 U 134/13 Berufsunfähigkeitsversicherung: Ausschluss der Fälligkeit von Versicherungsansprüchen bei verweigerter Mitwirkung des Versicherungsnehmers bei der Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten Leitsätze 1. Die notwendigen Erhebungen des Versicherers zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung gemäß § 14 Abs. 1 VVG umfassen auch die Prüfung der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht; ist dem Versicherer die Einholung von Informationen über Gesundheitsdaten des Versicherungsnehmers aus vorvertraglicher Zeit mangels Erteilung einer Schweigepflichtentbindungserklärung des Versicherungsnehmers nicht möglich, ist dessen Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht fällig. 2. Aus § 213 VVG . F. und der zugrunde liegenden Rechtsprechung des BVerfG ergibt sich nicht, dass der Versicherer diese Informationen seit Inkrafttreten des neuen VVG nicht mehr, jedenfalls nur bei einem konkreten Verdacht einer Anzeigepflichtverletzung und/oder nur beschränkt auf solche Gesundheitsdaten einholen darf, die einen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt haben können. Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Juni 2013 – 23 O 341/12 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen. Gründe I. Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen aus einer mit der Beklagten zum 1. April 2009 zustande gekommenen Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Behauptung, er sei seit dem 6. Mai 2010 wegen einer depressiven Erkrankung und eines “Burn-Out Syndroms” bedingungsgemäß berufsunfähig in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Bezirksleiter der Landesbausparkasse Hessen-Thüringen. Das Landgericht hat die Klage mit am 26. Juni 2013 zugestelltem Urteil, auf das wegen seiner tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, als derzeit unbegründet abgewiesen und dies damit begründet, dass die Beklagte ihre Leistungsprüfung nicht abschließen könne, nachdem der Beklagte mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 27. Juli 2012 (Anlage K 22) ausdrücklich der Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch die Beklagte widersprochen hatte, “soweit das die Überprüfung vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen betrifft”. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2013, eingegangen am 23. Juli 2013, hat der Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt und diese – nachdem auf seinen am 23 August 2013 eingegangenen Antrag die Frist bis zum 26. September 2013 verlängert worden war – mit am 20. September 2013 eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Kläger rügt eine unzutreffende Rechtsanwendung durch das Ausgangsgericht. Er ist der Ansicht, auch nach den in den Versicherungsvertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen nicht verpflichtet zu sein, der Beklagten die Prüfung einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung zu ermöglichen, zumal die Beklagte trotz Nachfrage weder einen konkreten Verdacht noch einen hinreichend konkreten Anhaltspunkt für eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung aufzeigen könne. Der Kläger bestreitet eine solche und behauptet, erstmals im Frühjahr 2010 Anzeichen für eine psychische Erkrankung verspürt zu haben. Der Kläger ist weiter der Ansicht, die angegriffene Entscheidung stehe im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur informationellen Selbstbestimmung und zur Regelung des § 213 VVG, wonach insbesondere persönliche Gesundheitsdaten besonderen Schutz genießen. Der Kläger beantragt, I. das Urteil des Landgerichts Berlin – 23 O 341/12 – vom 12. Juni 2013 wie folgt abzuändern: 1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.112,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 27.548 € seit dem 1.6.2012, aus einem Teilbetrag von jeweils weiteren 1141,12 € seit dem 1. eines jeden Monats ab dem 01.07.2012 bis einschließlich 01.10.2012 zu zahlen; 2. die Beklagte wird verurteilt an den Kläger aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zur Vers.-Nr. 3… beginnend ab 01.11.2012 bis längstens 31.03.2024 bis zum 1. eines jeden Monats jeweils eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1060,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz und zwar ab dem 2. des jeweiligen Monats zu zahlen; 3. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, über das Jahr 2012 hinaus die monatliche Berufsunfähigkeitsrente jährlich zu erhöhen, jeweils zum 01. 04. eines jeden Jahres, längstens bis zum 31.03.2024, jeweils um 3 % der Rente des Vorjahres; die die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Prämienzahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung zur Vers.-Nr. 3… ab dem 1.11.2012 bis längstens zum 31.03.2024 freizustellen. II. Hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Berlin – 23 O 341/12 – vom 12. Juni 2013 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. III. Hilfsweise wird angeregt, die Revision zuzulassen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, im Rahmen der Feststellung des Versicherungsfalls auch berechtigt zu sein, Gesundheitsdaten des Versicherungsnehmers aus der Zeit vor Abschluss des Versicherungsvertrages zu erheben, um zum einen klären zu können, ob sich das versicherte Risiko schon vorvertraglich verwirklicht hatte und zum anderen um zu prüfen, ob ihr wegen einer Anzeigepflichtverletzung ein Recht zur Anfechtung des Versicherungsvertrages oder zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag zustehe, weil auch diese Fragen ihre Leistungspflicht beträfen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehe dem – schon wegen der vorzunehmenden Interessenabwägung – nicht grundsätzlich entgegen. Das Widerspruchsrecht des Ver-sicherungsnehmers gemäß § 213 Abs. 2, 2. Hs. VVG sichere lediglich den verfassungs-rechtlich geschützten Anspruch des Versicherungsnehmers auf Schutz seiner persönlichen Daten, begründe aber keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung unabhängig von einer Anspruchsprüfung durch den Versicherer. Ein konkreter Verdacht für eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung sei für die Datenerhebung aus vorvertraglicher Zeit nicht erforderlich, unabhängig davon ergebe sich dieser vorliegend bereits aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Antragstellung und dem behaupteten Eintritt der Berufsunfähigkeit, zumal die Erkrankung des Klägers an einer Depression in Form eines “Burnout-Syndroms” eine längere Krankheitsentwicklung belege. II. Die Berufung des Klägers vom 22. Juli 2013 ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgemäß eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und – im Hinblick auf die Verlängerung der Frist bis zum 26. September 2013 – begründet (§ 520 ZPO) worden. In der Sache bleibt die Berufung des Klägers jedoch ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Klage auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung als “derzeit unbegründet” abgewiesen. Die hiergegen
Ablehnungsquoten der Versicherer: Häufigste Streitfälle bei BU-Rente
Die häufigsten Streitfälle bei der Beantragung von Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung drehen sich um vorvertragliche Anzeigenpflichtverletzungen und das Nichterreichen der 50 Prozent Hürde. Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) werden 70 Prozent aller Leistungsanträge anerkannt, das heißt, die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente wird bezahlt. Das bedeutet allerdings auch auf der Kehrseite, dass bei 30 Prozent der Fälle der Versicherer nicht reguliert, also den Anspruch auf eine BU-Rente ablehnt. Einige Experten der Versicherungswirtschaft gehen sogar von Ablehnungsquoten zwischen 30 % und 60 % aus. Bei 11 Prozent der Anträge sollen die Versicherer dabei eine dauerhafte Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent bezweifeln, bei 7 Prozent vermuten sie eine nicht vollständige bzw. nicht wahrheitsgemäße Beantwortung der Gesundheitsfragen. Einige Berufsunfähigkeitsversicherer stellen inzwischen ihre (niedrigen) Prozessquoten, d.h. die Quote, in denen Ansprüche nach der Ablehnung gegen den Versicherer durch den Versicherungsnehmer gerichtlich geltend gemacht werden müssen, als Qualitätsmerkmal heraus. Man sollte diesen Quoten mit einer gewissen Vorsicht begegnen – die Daten werden nicht selten selektiv verwendet und sind für das Regulierungsverhalten des Versicherers nur eingeschränkt aussagekräftig. 50 Prozent Hürde Nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 172 Abs. 2 VVG gilt jemand als berufsunfähig, wenn er “seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann”. Bei Beantragung der vertraglich vereinbarten Versicherungsleistungen muss der Versicherungsnehmer in der Regel mit Hilfe eines medizinischen Gutachtens nachweisen, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung ihn dauerhaft daran hindert, den konkreten Beruf zu mindestens 50 Prozent auszuüben. Häufig kommt es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, weil Versicherungen bezweifeln, dass ein Versicherungsnehmer dauerhaft, das heißt, abhängig von den konkreten Vertragsbedingungen mindestens sechs Monate lang zu mindestens 50 Prozent seinen Beruf nicht ausüben konnte bzw. auch in Zukunft nicht ausüben wird. Problematisch in diesem Kontext sind zudem Verweisungsklauseln, insofern der Vertrag solche enthält. So kann zum Beispiel eine konkrete Verweisungsklausel bewirken, dass der Versicherer die Zahlung einer BU-Rente ablehnt, wenn der Versicherte auf einen Vergleichsberuf verwiesen werden, unter der Voraussetzung, dass er diesen gesundheitlich ausüben kann. Im Streitfall muss der Versicherer einen Vergleichsberuf oder mehrere Vergleichberufe anführen unter präziser Angabe vergleichbarer prägender Merkmale wie Ausbildung, Arbeitsbedingungen, Gehalt, erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.2000 – IV ZR 85/99; BGH, Urt. v. 29.6.1994 – IV ZR 129/93). Im Falle einer abstrakten Verweisungsklausel muss der Versicherungsnehmer nicht nur eine Berufsunfähigkeit für den aktuell ausgeübten Beruf nachweisen, sondern auch für einen Vergleichsberuf – selbst wenn der Versicherungsnehmer diesen bei Beantragung einer BU-Rente gar nicht ausübt (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1993 – IV ZR 185/92). Vorvertragliche Anzeigenpflichtverletzung Im Versicherungsfall nehmen Versicherer in den meisten Fällen eine genauere Überprüfung der im Gesundheitsbogen aufgeführten bzw. möglicherweise verschwiegenen Vorerkrankungen vor. Sofern die bei der Antragstellung gemachten Angaben unvollständig sind oder nicht mit den Angaben in den von Krankenkassen und Ärzten angeforderten Akten übereinstimmen, wird der Versicherer die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente zunächst verweigern. Eine Einwilligung des Versicherungsnehmers zur Erhebung seiner Gesundheitsdaten (§ 213 VVG) vorausgesetzt, hat der Bundesgerichtshof mehrfach die Überprüfung von Vorerkrankungen nach Abwägung der Interessen des Versicherungsnehmers und des Versicherers für zulässig erklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.2011 – IV ZR 203/09). Im Streitfall ist dann unter anderem zu klären, ob der Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Fragen ohne Verschulden, einfach fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich bzw. arglistig gehandelt hat. Bei Ablehnung eines Leistungsantrags aufgrund von vermuteter vorvertraglicher Anzeigenpflichtverletzung, bei angezweifelter dauerhafter Berufsunfähigkeit von mindesten 50 Prozent und versuchter konkreter bzw. abstrakter Verweisung auf einen Vergleichsberuf empfehlen Verbraucherschutzorganisationen unbedingt, fachanwaltliche Hilfe zwecks genauer Überprüfung der Leistungsablehnung des Berufsunfähigkeitsversicherers in Anspruch zu nehmen. Benötigen Sie Hilfe bei Ihrem BU-Antrag oder bei der Geltendmachung von Leistungen aus Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung? Kontaktieren Sie uns für eine kostenlose Ersteinschätzung Ihres Falles
Wann liegt Berufsunfähigkeit vor?
Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit setzt voraus, dass der körperlich-geistige Gesamtzustand des Versicherungsnehmers keine günstige Prognose für die Wiederherstellung von verloren gegangenen Fähigkeiten in einem überschaubaren Zeitraum zulässt […]
GDV-Statistik: Zahlen lassen sich nicht verifizieren
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) hat am 6. Januar 2016 erstmals eine Branchenstatistik zur Berufsunfähigkeitsversicherung veröffentlicht, welche die anhaltende Kritik an der mangelnden Leistungsbereitschaft von BU-Versicherern aber nicht entkräften kann. In den letzten Jahren ist die mangelnde Leistungsbereitschaft von BU-Versicherern verstärkt in den Fokus der medialen Berichterstattung geraten: die Versicherer würden zu viele Leistungsanträge ablehnen, die Bearbeitung verschleppen und darauf spekulieren, dass die mit dem Prozedere oftmals überforderten Antragsteller irgendwann einfach aufgeben. Tendenziell steigend beschäftigen sich deutsche Gerichte mit BU-Streitfällen. Angesichts dieser Kritik hat der GDV erstmalig eine Branchenstatistik zur Berufsunfähigkeit erstellt, die jedoch zahlreiche Fragen aufwirft. Der Statistik zufolge erkannten BU-Versicherer im Jahr 2014 rund 40.200 Anträge ihrer Kunden auf Leistungen der Berufsunfähigkeitsversicherung an. Die Leistungsquote – das Verhältnis von anerkannten zu eingereichten Leistungsanträgen – lag bei annähernd 77 Prozent. Zwischen vollständigem Leistungsantrag und der Leistungsentscheidung vergingen im Durchschnitt 13 Kalendertage. Verifizierung von Zahlen in Versicherungen Auf den ersten Blick scheinen die Zahlen, die auf Angaben der Versicherungsunternehmen basieren, auf eine positive Leistungsbereitschaft hinzudeuten. Jedoch lassen sie sich nicht verifizieren. Interessant in diesem Zusammenhang wäre eine detaillierte Aufschlüsselung der Quote: Beziehen sich die 77 Prozent auf die Anträge, die mitsamt aller geforderten Unterlagen vorlagen und auch ob der Vollständigkeit halber bearbeitet wurden? Oder sind in die statistische Berechnung dieser Quote zum Beispiel auch Anträge eingeflossen, die zwar eingereicht (!), aber vom Kunden nicht in der geforderten Form vervollständigt bzw. zurückgezogen worden sind? Ein Beispiel: ein Kunde stellt z. B. einen Leistungsantrag, erhält dann von der Versicherung einen entsprechenden Fragebogen und wird dazu aufgefordert, diesen auszufüllen und entsprechende Unterlagen beizufügen bzw. der Versicherung eine Genehmigung zu erteilen, Krankenakten bei Kassen und Ärzten einzuholen. Wenn der Kunde nun den Fragebogen nicht ausfüllt und an der Beschaffung der versicherungsrelevanten Informationen mitwirkt bzw. den Antrag nicht weiterverfolgt, fällt dann ein solcher Leistungsantrag, der de facto ja eingereicht wurde, auch in die Berechnung der Leistungsquote? Dazu macht der GDV keine Angaben, das heißt, es lässt sich nicht verifizieren, ob die eingereichten Leistungsanträge auch tatsächlich alle vollständig vorlagen und bearbeitet worden sind oder ob ein bestimmter Prozentsatz der eingereichten Leistungsanträge nicht weiterverfolgt wurde. Im Umkehrschluss zeigt die Statistik, dass bei einer angeblichen Leistungsquote von 77 Prozent (40.200 Anträge) rund 12.000 Anträge abgelehnt wurden, das heißt, 12.000 Versicherungsnehmer hatte angeblich keinen Anspruch auf im Ernstfall existenzielle Leistungen aus ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung. Zu den Gründen der Leistungsablehnung macht der GDV keine Angaben, obwohl gerade hier ein hohes Maß an Transparenz zur Glaubwürdigkeit von Versicherungsunternehmen beitragen würde – und zwar im Sinne einer stärkeren Kundenorientierung. Fühlen sich Kunden zum Beispiel bereits durch die gesamte Verfahrensabwicklung ohne professionelle Hilfe überfordert und machen dabei entscheidende Fehler? Haben Kunden die Versicherungsbedingungen nicht richtig verstanden und sind gar nicht berufsunfähig? Haben medizinische Gründe zur Ablehnung geführt? War der Prognosezeitraum nicht erfüllt? Oder konnten die Versicherungsnehmer auf einen anderen Beruf verwiesen werden? Interessant an der Statistik ist auch die angegebene Bearbeitungszeit: Zwischen vollständigem Leistungsantrag und der Leistungsentscheidung vergingen im Durchschnitt rund 13 Kalendertage. Dr. Peter Schwark, Mitglied der GDV-Hauptgeschäftsführung, sagte dazu: “Die Unternehmen leisten – schnell und unkompliziert.” Was er nicht sagt, ist, dass der GDV auf die Angabe der Gesamtdauer (!) der Leistungsprüfung verzichtet, die nicht grundsätzlich “schnell” erfolgt. Denn auch diese Zahl verschleiert, dass oftmals bis zur Vorlage des vollständigen Leistungsantrags, einschließlich aller geforderten und nachzureichenden Unterlagen, mehrere Wochen bzw. mehrere Monate vergehen können. Auch die Aussage des GDV, dass nur bei rund sechs Prozent aller Leistungsanträge von den Versicherern Gutachten beauftragt worden seien, ist kritisch zu hinterfragen, da aus der Statistik nicht hervorgeht, ob sich die Zahl auf externe und/oder interne Gutachter bezieht: Versicherungsunternehmen beschäftigen zunehmend interne Gutachter, die dann bei dem Versicherungsunternehmen angestellt sind. In Hinblick auf die Annahme von Versicherungsanträgen gibt der GDV an, dass insgesamt rund 823.000 Anträge auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung gestellt worden und rund 47.000 Anträge abgelehnt worden seien. Rund 776.000 der gestellten Anträge haben zu einem Versicherungsangebot geführt. Aufschlussreich hier ist die Verwendung des Wortes “Versicherungsangebot”: Wie viele Versicherungsangebote dann tatsächlich zum Abschluss einer Versicherung geführt haben, lässt der GDV offen. Genauso wie sich der GDV über die Ablehnungsgründe ausschweigt. Die Veröffentlichung der Statistik ist nur ein erster Schritt in Richtung zu mehr Transparenz – die Aussagekraft der genannten Zahlen lässt noch sehr zu wünschen übrig. Erkennt Ihr Versicherer Ihre Berufsunfähigkeit nicht an? Holen Sie sich professionelle Unterstützung!
Dürfen BU-Versicherer ihre Kunden überwachen lassen?
Nach einem Urteil des Oberlandesgerichtes Köln vom 3. August 2012 dürfen BU-Versicherer Kunden verdeckt observieren lassen, wenn konkrete Anzeichen vorliegen, dass der Versicherungsnehmer sich vertragswidrig verhält. Bei einem vor dem OLG Köln verhandelten Berufungsverfahren (OLG Köln, Urt. v. 3.8.2012 – 20 U 98/12), dem ein Verfahren am Landgericht Bonn vorausgegangen war, verlangte ein Versicherungsnehmer unter Berufung auf Verletzung des Persönlichkeitsrechts die Unterlassung von Observierungsmaßnahmen und die Herausgabe und Löschung gewonnener Ermittlungsergebnisse. Im September 2011 hatte der Versicherungsnehmer in einem Fragebogen des Versicherers angegeben, dass seine berufliche Tätigkeit “Bürobesprechungen mit einem Stundenaufwand von circa zwei Stunden täglich an zwei bis drei Tagen in der Woche” umfasse. Auf die Frage nach körperlichen Beschwerden gab er “stark eingeschränkte Gehstrecken, Schmerzen in Rücken und Beinen, Kopfschmerzen, fehlende geistige und körperliche Belastbarkeit” an. Im Rahmen einer Internetrecherche entdeckte der Versicherer, dass der Mann als Geschäftsführer einer GmbH im Handelsregister eingetragen war. Aus der Internetpräsenz der GmbH ließ sich weiterhin ablesen, dass der Mann in erheblich größerem Umfang in dieser GmbH aktiv war, als er in dem Fragebogen angegeben hatte. Eine weitere Recherche brachte zutage, dass der Mann in dem angegebenen Zeitraum unter Nennung seines Vor- und Nachnamens an Motorradrennen teilgenommen hatte. Nach Entdeckung dieser konkreten Anzeichen für vertragswidriges Verhalten ließ die Versicherung den Mann verdeckt observieren. In seinem Urteil bestätigte das OLG Köln, dass eine verdeckte Observation zulässig sei, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass ein Versicherungsnehmer seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag vorsätzlich verletze. Nach § 7 Abs. 2 BB-BUZ ist ein Versicherungsnehmer dazu verpflichtet, im Rahmen einer Nachprüfung sachdienliche und wahrheitsgemäße Auskünfte zu erteilen. Das OLG erkannte an, dass der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB sei. Des Weiteren seien die Vertragsparteien eines Versicherungsvertrages gemäß § 241 Abs. 2 BGB dazu verpflichtet, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners zu nehmen. Prinzipiell resultiere daraus, dass eine Überprüfung der Auskünfte des Versicherungsnehmers mit verdeckten Ermittlungsmethoden mit dem im Versicherungsverhältnis geltenden Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme nicht vereinbar sei. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellte das OLG Köln aber fest, dass eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelten könne, wenn “der über bloße Zweifel an der Richtigkeit der Angaben hinausgehende begründete Verdacht für ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Versicherungsnehmers bestehe” (vgl. BGH Urt. v. 20.5.2009 – IV ZR 274/06). In diesem Sinne hielt das OLG Köln die Observierung für angemessen und konnte auch keinen Verstoß gegen die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes erkennen, da der Versicherer als nicht-öffentliche Stelle (§ 2 Abs. 4 BDSG) gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG berechtigt sei, personenbezogene Daten unter bestimmten Umständen zu erheben. Den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Unterlassung von Foto- und Filmaufnahmen wies das OLG ab, da im Verfahren nicht glaubhaft gemacht werden konnte, dass im Rahmen der Observation Fotos oder Filmaufnahmen gefertigt worden waren. Auch habe der Versicherer nicht gegen § 213 VVG verstoßen, da keine personenbezogenen Gesundheitsdaten wie beispielsweise Krankenakten durch die Observation erhoben worden seien. Aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB ließ sich ein Unterlassungsanspruch des Versicherungsnehmers auch nicht glaubhaft herleiten, da der Versicherer durch Beauftragung eines Detektivbüros nicht unbefugt ein Geheimnis im Sinne des § 203 StGB offenbart hatte. Erkennt Ihr Versicherer Ihre Berufsunfähigkeit nicht an? Holen Sie sich professionelle Unterstützung!
Prozess wegen BU-Rente: Sind Kosten steuerlich absetzbar?
Mit dem modifizierten § 33 Absatz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) hat der Gesetzgeber 2013 die Absetzbarkeit von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung sehr eingeschränkt. Dennoch können Prozesskosten im Falle eines Rechtsstreits wegen Ablehnung einer BU-Rente unter bestimmten Bedingungen als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden. Betrifft ein Zivilprozess das Versicherungsrecht, könnten die Kosten zum Beispiel für Prozesse im Rahmen einer Berufsunfähigkeitsversicherung steuerlich absetzbar sein. Wenn die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente nach Beantragung durch den Versicherungsnehmer von der Versicherung abgelehnt wird, bleibt den Betroffenen oftmals keine andere Wahl, als mit anwaltlicher Unterstützung die Versicherung auf Zahlung der Rente zu verklagen. Ob die Kosten für einen Zivilprozess jedoch steuerlich geltend gemacht werden können, hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab. In einem Urteil vom 12.05.2011 entschied der Bundesfinanzhof (Az. VI R 42/10), dass die Kosten für einen Zivilprozess als außergewöhnliche Belastung nur noch steuerrechtlich anerkannt werden, wenn der Steuerpflichtige schlüssig darlegen kann, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In Reaktion auf dieses Urteil hat die Finanzverwaltung mit einem sogenannten Nichtanwendungserlass den vollständigen Abzug von Zivilprozesskosten unterbunden. Diesem Nichtanwendungserlass folgend hat dann der Gesetzgeber mit Wirkung zum 30.6.2013 den entsprechenden § 33 Absatz 2 Satz 4 EStG verändert, in dem es nun heißt: “Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.” Selbst wenn die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen nicht bedroht ist, besteht weiterhin die Möglichkeit, Prozesskosten als Werbungskosten steuerlich geltend zu machen. So hat das Niedersächsische Finanzgericht in einem Urteil vom 24.7.2013 (Az. 9 K 134/12) entschieden, dass die Prozesskosten für eine Berufsunfähigkeitsrente absetzbar sind, wenn der für den Werbungskostenabzug erforderliche Zusammenhang der Prozesskosten mit der Erwerbssphäre gegeben und Gegenstand des Prozesses eine als “sonstige Einkünfte” zu versteuernde Berufsunfähigkeitsrente sei. Im Einzelfall ist genau zu prüfen, ob die Kosten der Rechtsverfolgung, zu denen unter anderem Beratungs- und Vertretungskosten und sonstige den Prozess betreffende Kosten zählen, zu einer existentiell bedrohlichen Situation führen. Bei entsprechendem Nachweis der Existenzbedrohung, die der Gesetzgeber nicht im Detail ausführt, könnte der Kläger die Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen. Bei Nichtgefährdung der Existenzgrundlage steht dem Kläger unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit offen, die Prozesskosten als Werbungskosten steuerlich abzusetzen. Nach dem Urteil des niedersächsischen Finanzgerichts könnten die Prozesskosten dann in voller Höhe als vorweggenommene Werbungskosten aus Renteneinkünften geltend gemacht werden. Kontaktieren Sie uns für eine kostenlose Ersteinschätzung Ihres Sachverhalts!