Wann liegt Berufsunfähigkeit vor?

Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit setzt voraus, dass der körperlich-geistige Gesamtzustand des Versicherungsnehmers keine günstige Prognose für die Wiederherstellung von verloren gegangenen Fähigkeiten in einem überschaubaren Zeitraum zulässt. Nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 172 VVG Abs. 2 gilt jemand als berufsunfähig, wenn er „seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann“. Im Leistungsfall kommen allerdings die konkret vereinbarten Versicherungsbedingungen zum Tragen, denen der Versicherungsnehmer mit Unterzeichnung der Berufsunfähigkeitsversicherung zugestimmt hat. In der Regel liegt eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherungsnehmer den zuletzt ausgeübten Beruf zu mindestens 50 Prozent voraussichtlich nicht mehr dauerhaft ausüben kann. Abhängig von den Versicherungsbedingungen kann sich der Begriff „dauerhaft“ auf 6 bzw. auf 12 Monate beziehen.

Mittels ärztlicher Dokumente (ärztliche Stellungnahmen, Arztberichte, Gutachten) muss der Nachweis erbracht werden, in welchem Ausmaß sich die medizinisch nachgewiesene gesundheitliche Beeinträchtigung auf die Fähigkeit zur Ausübung des konkreten Berufes auswirkt. Eine besondere Bedeutung kommt jenen Tätigkeiten und Aufgaben zu, die für die Ausübung des konkreten Berufes maßgeblich prägend sind. Das heißt, der Versicherungsnehmer muss im Detail überzeugend darlegen und beweisen, warum er aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung den zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben kann (vgl. BGH, Urt. v. 14.01.1993, Az. X ZR 238/91; BGH, Urt. v. 18.01.2000, Az. VI ZR 375/98).

Der Versicherungsnehmer ist dazu verpflichtet, die Art, den Umfang und die Häufigkeit der regelmäßig anfallenden Arbeiten und die Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit konkret zu beschreiben (vgl. OLG Köln, Urt. vom 27.02.2008, Az. 5 U 237/06). Eine rein subjektive Einschätzung der beruflichen Anforderungen, denen der Versicherungsnehmer dauerhaft nicht mehr gerecht werden kann, ist nicht ausreichend zur Beurteilung der dauerhaften Berufsunfähigkeit (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 11.03.2004, Az. 10 U 744/03). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist für die Feststellung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit weder ausschließlich die zu diesem Zustand führende Krankheit maßgebend noch die mit der Krankheit verbundene Unfähigkeit zur Berufsausübung. Der körperlich-geistige Gesamtzustand des Versicherten muss derart beschaffen sein, dass eine günstige Prognose für die Wiederherstellung der verloren gegangenen Fähigkeiten in einem überschaubaren Zeitraum nicht gestellt werden kann. Es muss ein Zustand erreicht sein, dessen Besserung zumindest bis zur Wiederherstellung der halben Arbeitskraft nicht mehr zu erwarten ist. Die Ermittlung eines solchen Zustands nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft kann rückschauend ermittelt werden (vgl. BGH, Urt. v. 22. Februar 1984, Az. IVa ZR 63/82; BGH). Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liegt aber auch dann vor, wenn Gesundheitsbeeinträchtigungen eine Fortsetzung der Berufstätigkeit unzumutbar erscheinen lassen – beispielsweise wenn andere mit der Gesundheitsbeeinträchtigung in Zusammenhang stehende oder zusammenwirkende Umstände in der Gesamtschau ergeben, dass dem Versicherungsnehmer die Fortsetzung seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann. Das heißt, wenn ein Versicherungsnehmer faktisch noch seinen Beruf ausüben kann, ihm aber durch die Erkrankung indizierten Medikamenteneinnahmen ernsthafte weitere Gesundheitsgefahren drohen, dann liegt auch eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vor (vgl. BGH Beschluss v. 11.07.2012 – IV ZR 5/11).



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