Dürfen BU-Versicherer ihre Kunden überwachen lassen?
Nach einem Urteil des Oberlandesgerichtes Köln vom 3. August 2012 dürfen BU-Versicherer Kunden verdeckt observieren lassen, wenn konkrete Anzeichen vorliegen, dass der Versicherungsnehmer sich vertragswidrig verhält.
Bei einem vor dem OLG Köln verhandelten Berufungsverfahren (OLG Köln, Urt. v. 3.8.2012 – 20 U 98/12), dem ein Verfahren am Landgericht Bonn vorausgegangen war, verlangte ein Versicherungsnehmer unter Berufung auf Verletzung des Persönlichkeitsrechts die Unterlassung von Observierungsmaßnahmen und die Herausgabe und Löschung gewonnener Ermittlungsergebnisse.
Im September 2011 hatte der Versicherungsnehmer in einem Fragebogen des Versicherers angegeben, dass seine berufliche Tätigkeit "Bürobesprechungen mit einem Stundenaufwand von circa zwei Stunden täglich an zwei bis drei Tagen in der Woche" umfasse. Auf die Frage nach körperlichen Beschwerden gab er "stark eingeschränkte Gehstrecken, Schmerzen in Rücken und Beinen, Kopfschmerzen, fehlende geistige und körperliche Belastbarkeit" an.
Im Rahmen einer Internetrecherche entdeckte der Versicherer, dass der Mann als Geschäftsführer einer GmbH im Handelsregister eingetragen war. Aus der Internetpräsenz der GmbH ließ sich weiterhin ablesen, dass der Mann in erheblich größerem Umfang in dieser GmbH aktiv war, als er in dem Fragebogen angegeben hatte. Eine weitere Recherche brachte zutage, dass der Mann in dem angegebenen Zeitraum unter Nennung seines Vor- und Nachnamens an Motorradrennen teilgenommen hatte. Nach Entdeckung dieser konkreten Anzeichen für vertragswidriges Verhalten ließ die Versicherung den Mann verdeckt observieren.
In seinem Urteil bestätigte das OLG Köln, dass eine verdeckte Observation zulässig sei, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass ein Versicherungsnehmer seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag vorsätzlich verletze. Nach § 7 Abs. 2 BB-BUZ ist ein Versicherungsnehmer dazu verpflichtet, im Rahmen einer Nachprüfung sachdienliche und wahrheitsgemäße Auskünfte zu erteilen.
Das OLG erkannte an, dass der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB sei. Des Weiteren seien die Vertragsparteien eines Versicherungsvertrages gemäß § 241 Abs. 2 BGB dazu verpflichtet, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners zu nehmen.
Prinzipiell resultiere daraus, dass eine Überprüfung der Auskünfte des Versicherungsnehmers mit verdeckten Ermittlungsmethoden mit dem im Versicherungsverhältnis geltenden Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme nicht vereinbar sei. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellte das OLG Köln aber fest, dass eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelten könne, wenn "der über bloße Zweifel an der Richtigkeit der Angaben hinausgehende begründete Verdacht für ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Versicherungsnehmers bestehe" (vgl. BGH Urt. v. 20.5.2009 – IV ZR 274/06).
In diesem Sinne hielt das OLG Köln die Observierung für angemessen und konnte auch keinen Verstoß gegen die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes erkennen, da der Versicherer als nicht-öffentliche Stelle (§ 2 Abs. 4 BDSG) gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG berechtigt sei, personenbezogene Daten unter bestimmten Umständen zu erheben.
Den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Unterlassung von Foto- und Filmaufnahmen wies das OLG ab, da im Verfahren nicht glaubhaft gemacht werden konnte, dass im Rahmen der Observation Fotos oder Filmaufnahmen gefertigt worden waren.
Auch habe der Versicherer nicht gegen § 213 VVG verstoßen, da keine personenbezogenen Gesundheitsdaten wie beispielsweise Krankenakten durch die Observation erhoben worden seien.
Aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB ließ sich ein Unterlassungsanspruch des Versicherungsnehmers auch nicht glaubhaft herleiten, da der Versicherer durch Beauftragung eines Detektivbüros nicht unbefugt ein Geheimnis im Sinne des § 203 StGB offenbart hatte.